Mein neuer Lebenspartner - leicht, treu und vielfältig belastbar - ist immer dabei:
Von Salzburg nach Basel, dann weiter an die Wirtschaftsuniversität und ins Konzerthaus in Wien, über das Musik-Museum in Budapest bis auf den Schotterweg in Südtirol und wieder nach Hause nach Salzburg.
Seit langer Zeit suche ich nach einer Lösung.
Etwa 2/3 meiner beruflichen Tätigkeit spielt sich entlang der Zugstrecke Zürichsee – Budapest ab, mit seltenen Abweichungen nach Norden und Süden hin.
Davon wiederum das meiste in Wien.
In Salzburg, wo noch immer mein Hauptwohnsitz ist, fahre ich grundsätzlich mit dem Radl*. Ich liebe es, Rad zu fahren. Ganz abgesehen davon, dass es umweltschonend ist, ist es für mich gelebte Freiheit und gefühlte Bewegung. Weder Regen noch Schnee und schon gar nicht Hitze oder Kälte können mich davon abhalten.
Für Wien suche ich schon länger nach einer Rad-Lösung. Da ich derzeit (noch) keinen festen Wohnsitz in Wien habe, wüsste ich nicht, wo ich es hinstellen könnte. Ein altes Radl kaufen, und es in Wien an einen Bahnhof stellen?
Auf der Suche nach Ideen probiere ich in Tallinn, in Riga, in Budapest, am Neusiedlersee und in Wien Leihräder und Scooter aus. Aber ich kann mich nicht für dieses Leihmodell begeistern. Mal geht die App nicht oder der Akku von meinem Handy ist leer, mal steht kein funktionierendes Rad da oder es gibt am Zielort kein Rückgabeterminal.
Doch dann, an einem schönen Spätsommertag, „fährt“ die Lösung daher. Ich bin mit einem Freund zum Frühstück im Palmenhaus in Wien verabredet. Er kommt mit einem älteren Rad daher, welches nach meinem Empfinden für ihn - er ist ein schlanker großer Mann - viel zu klein ist. Ich wundere mich, denn ich schätze ihn so ein, dass ihm Funktionalität und Qualität wichtig ist.
Die nächste Frage, die sich mir stellt, ist: wieso fährt ein Wiener mit einem Klapprad in Wien? Warum fährt er nicht mit einem „gscheiten“ Rad?
Ich spreche ihn auf sein Rad an. Er lacht und fängt an zu schwärmen und erzählt mir, wie langer er es schon habe, wie zufrieden er damit sei und zeigt mir, wie leicht es sich zusammen- und auch wieder aufklappen lässt.
Überzeugt bin ich noch nicht. Wir hatten in meiner Kindheit auch Klappräder. Damals sagte man, dass Räder mit kleinen Rädern nicht gut zum Fahren sind. Daraus hat sich in mir ein Glaubenssatz gefestigt: Räder mit kleinen Rädern sind mühsam zum Fahren und ausschließlich eine praktische Notlösung. Mein Freund schüttelt den Kopf und lacht. Schnell ist der Sattel auf meine Größe eingestellt und ich sitze für eine kleine Probefahrt auf dem Radl. Tatsächlich, es fühlt sich gut an.
Aber du weißt, liebe Leserin/lieber Leser, dass sich Glaubenssätze nicht mit einer kleinen Probefahrt auflösen lassen! 🤣
Ab diesem Tag sehe ich des Öfteren Menschen mit solchen Rädern. Bisher habe ich diese Räder kaum wahrgenommen. Sie hatten in der Wahrnehmung meiner Wirklichkeit keine Relevanz, weil sie durch meinen Glaubenssatz aus meiner Kindheit pauschal als nicht brauchbare Verkehrsmittel bewertet wurden. Doch das ändert sich jetzt:
Priming: Zur Erinnerung: Unser Hirn nimmt Dinge, die aus seiner Sicht wichtig sind, leichter war. So kommt es, dass etwas, was früher nicht wahrgenommen wurde, plötzlich überall sichtbar wird, wenn es für den gegenwärtigen Lebensabschnitt relevant wird. Die Nervenzellen der dafür notwendigen neuronalen Netze werden durch das Interesse so „vorgebahnt“, dass es in der Außenwelt die Dinge leichter wahrnehmen kann, die gegenwärtig von Bedeutung sind.
Mein Freund empfiehlt mir ein Fahrradgeschäft mit solchen Rädern in Wien und ich borge mir dort für eine längere Probefahrt eines aus. Ich fahre kreuz und quer hinauf und hinunter, über Kopfsteinpflaster, Trottoirrand** und Straßenbahnschienen. Es fängt an zu regnen und ich fahre weiter.
Mein Glaubenssatz beginnt zu bröckeln, denn ich kann ihn nicht mehr bestätigen. Ich muss ehrlich eingestehen, dass alles Negative, was ich bisher über diese Art von Rädern gedacht habe, hinfällig ist.
Dieses Rad scheint die Lösung für mich zu sein! Es lässt sich in wenigen Sekunden so klein zusammenfalten, dass ich es in jeden Zug, in jede U-Bahn, in jedes Auto und in jeden Bus als Gepäckstück mitnehmen kann.
So lebe ich heute: Alles was ich brauche hat Platz auf meinem Rad: meine Workshopsachen, meine privaten Utensilien und manchmal - so wie hier bei der Wirtschaftsuniversität WU Wien - ist sogar das Cello mit dabei.
Ich fahre in Salzburg mit dem Rad zum Bahnhof, wo es für die Zugfahrt klein zusammengefaltet wird. Sobald ich am Zielbahnhof ankomme, „entfalte“ ich mein Rad und fahre auf diesem weiter. Für längere Strecken in Wien, steige ich unterwegs auch mal in die U- Bahn. Und wenn ich zwischendurch mit einer Freundin/einemFreundin im Auto mitfahre, ist auch das kein Problem.
Diesen Blog schreibe ich in Meran: Natürlich ist mein Rad auch hier dabei.
Gestern hatte ich Lust auf eine Radtour und bin ins Passeiertal nach St. Leonhard hinauf gefahren - teilweise auf Schotterwegen: Hin und zurück gut 40 km.
Die einzigen Räder, die mich überholt haben, waren Elektroräder. Einige Radfahrer haben mich etwas schief angeschaut, als ich an ihnen vorbeigeradelt bin:
Ja, das Rad schaut aus, als sei es ein schöner Witz:
Aber sobald man drauf sitzt, ist es ein vollwertiges Rad,
und für meine mobile Lebensweise ist es einfach genial!
Wie gestaltest du deine Mobilität?
Herzlich
Angela Büche
Musik ist mein Leben - Die Kunst zu leben meine Philosophie
*Radl oder Rad: auf Schweizerdeutsch: Velo
*Radl oder Rad: auf Deutsch: Fahrrad
**Trottoirrand (schweizerdeutsch)= Deutsch: Bordsteinkante
Foto 1: Musik-Museum Budapest
Foto 2: Wirtschaftsuniversität WU Wien
Foto 3,4,5: St. Leonhard im Passeiertal/Meran
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